Die komplette Rede gibt es hier zum Download als PDF.
Wer wissen will wer der Überaschungsgast war schaut schnell hier nach.
Liebe Wiebke, lieber Johannes, liebe Familienmitglieder, liebe Hochzeitsgäste,
Dies ist meine erste Hochzeitsrede, die ich sowohl halte als auch die ich höre. Ich bin gespannt. Das ist fast so spannend wie eine Eheschließung. Es gibt so viele Möglichkeiten wie bei der Partnerwahl.
Es gibt so wahnsinnig viele Einstiegsmöglichkeiten:
Die Deutegeschichte. Alles was wir tun, ist eine Frage der Deutung. Ich erinnere an die berühmte Frage: Ist das Glas halb voll oder halb leer. Deutung begleitet uns das ganze Leben. Till Eulenspiegel strahlte, wenn er den Berg hinauffuhr, trotz aller Anstrengungen, denn bald ging es ja wieder runter und murrte, wenn es bergab ging. Frage nach Günter Jauch: Wie lange gehen Wiebke und Johannes schon ihren gemeinsamen Weg, der heute durch die kirchliche Trauung besiegelt worden ist. Oder anders gefragt: Wie lange besteht schon eine Verbindung zwischen den beiden? Seit 1976, seit 1986, seit 1996 oder seit 2006? Da hilft nur der Publikumsjoker. (Antwort des Publikums: 1976 =Null, 1986 vier, 1996 fast alle, 2006 =Null.) Die richtige Antwort lautet 1976
Begründung:
Im Oktober 1976 war Dörthe im 6. Monat schwanger mit Johannes und wir fuhren zum 1. Mal gemeinsam nach Spiekeroog. Und wo fuhren wir ganz dicht vorbei? Richtig an Bramsche. Und wann entstand Wiebke das Leben? Richtig . Im Oktober 1976, denn sie ist im Juli 1977 geboren. .Im September 1977 fuhr Johannes das 1.Mal, nachdem er diese Welt betreten hat voller Sehnsucht wieder nach Spiekeroog, wieder dicht an Bramsche vorbei, Wiebke war schon sechs Wochen alt. Ich habe bis vor kurzem gedacht, Johannes liebte Spiekeroog so sehr. Jetzt weiß ich es besser. Und so ging es all die Jahre weiter bis zum 1. persönlichen Kennenlernen.
Die christliche Pfadfindergeschichte. Es ist eine Hoffnungsgeschichte, eine Liebesgeschichte, eine Glaubensgeschichte, die ich Euch mit auf den gemeinsamen Weg geben möchte. Es ist eine sehr bekannte Geschichte. Aber wir leben von guten, in Geschichten niedergelegten Erfahrungen und sie sprechen in den verschiedenen Lebenssituationen immer wieder neu und deuten die Wirklichkeit. Eigentlich bräuchte man gar nicht so viele Geschichte.
Die Geschichte: Ich hatte einen Traum.
Eines Nachts hatte ich einen Traum. Ich wanderte mit meinem Herrn am Meer entlang.
Über mir am dunklen Himmel sah ich mein Leben, Streiflichtern gleich, in Bildern
vorüberziehen. Und ich sah Fußspuren von zwei Wanderern. Die eine, so
schien es mir, war meine eigene, die andere die meines Herrn.
Als das letzte Bild meines Lebens aufleuchtete, blickte ich noch einmal zurück. Ich
erschrak. Oft war nur die Spur eines einzelnen Wanderers zu sehen, und zwar immer
in den Zeiten meines Lebens, die mir besonders trostlos und düster in Erinnerung
waren.
Ich geriet ins Grübeln und fragte schließlich besorgt den Herrn: “Als ich mich entschied,
dir nachzufolgen, hast du zu mir gesagt, mir jederzeit beizustehen. Aber
jetzt entdecke ich: In den dunklen Zeiten meines Lebens findet sich nur ein Fußabdruck.
Warum hast du mich im Stich gelassen immer dann, wenn ich dich am meisten
brauchte?“
Da antwortete er: “Kind, ich liebe dich. Ich würde dich nie allein lassen. Erst recht
nicht in Nöten und Schwierigkeiten. Dort, wo du nur eine Spur gesehen hast, in den
Zeiten, in denen du dich allein gelassen fühltest, habe ich dich hindurchgetragen.
(Margaret Fishback Powers)
Die Geschichte bedeutet den Weg Gottes mit einem Menschen. Sie ist aber auch
die Beschreibung eines Weges, den zwei Menschen gemeinsam gehen, die heute
ihre kirchliche Trauung feiern.
Es ist die Beschreibung eines Weges am Meer, an der Grenze zwischen festem
Boden und der Unsicherheit des Wassers: Das Wasser hat keine Balken. Wie im
Leben überhaupt geht es um die Bodenständigkeit, die Begrenztheit und um die
unendliche Weite, die absolute Unsicherheit, die bewältigt werden will. Es ist die
Entscheidung beider Ehepartner, näher am Boden oder näher am Wasser. Näher
am Boden bedeutet vielleicht mehr Sicherheit. Näher am Wasser bedeutet vielleicht
mehr Unsicherheit mit neuen Ausblicken, neuer Bewegtheit. Es geht um die Ausgewogenheit,
um das rechte Maßhalten.
So wie die Entscheidung, am Meer zu wandern, eine Entscheidung der beiden ist,
ist die Entscheidung für den gemeinsamen Weg eine Entscheidung, eine gemeinsame
Entscheidung der beiden. Und diese Entscheidung, der Tag der Hochzeit, ist
mit einem Gefühl des Glückes verbunden. Und so dürft Ihr diesen Tag mit einem
unvergleichlichen Glücksgefühl begrüßen und begehen. Wenn alle Schwierigkeiten,
Widerstände, Hindernisse, Zweifel und Bedenken - nicht in den Wind geschlagen,
aber ehrlich ausgestanden und überwunden sind - und es ist sicher gut, wenn nicht
alles so selbstverständlich geht - dann haben die beiden in der Tat das entscheidende
Glück ihres Lebens errungen. Mit dem Ja, das sie zueinander gesprochen
haben, haben sie ihrem ganzen Leben in freier Entscheidung eine neue Wendung
gegeben, sie haben allen Fragen und Bedenklichkeiten, die das Leben jeder dauernden
Verbindung zweier Menschen entgegenstellt, in froher Gewissheit Trotz geboten
und sich in eigener Tat und Verantwortung ein Neuland für ihr Leben erobert.
Etwas von dem Jubel darüber, dass Menschen so große Dinge tun können, dass
ihnen eine so unermessliche Freiheit gegeben ist, das Steuer ihres Lebens in die
Hand zu nehmen, klingt bei jeder Hochzeit durch. Es klingt etwas von dem berechtigten
Stolz der Erdenkinder, ihres eigenen Glückes Schreiner sein zu dürfen, in
dem Glück des Brautpaares durch. Ihr habt die Verantwortung dafür übernommen,
die euch kein Mensch abnehmen kann; genauer gesagt, dir, Ehepaar, ist die ganze
Verantwortung mit all dem Glück, das eine solche Verantwortung in sich schließt,
auferlegt. Es ist unser Wille, es ist unsere Liebe, es ist unser Weg. Eisen und Stahl,
sie mögen vergehen, unsere Liebe bleibt bestehen.
Dieses Verlangen nach der irdischen Glückseligkeit, die ihr ineinander finden wollt
und die darin besteht, dass einer des anderen Trost ist nach Seele und Leib, dieses
Verlangen hat sein Recht vor Menschen und vor Gott.
Die Geschichte am Meer stellt das Menschendasein in das große Spannungsverhältnis
zwischen Geschöpf und göttlicher Wirklichkeit, die den menschlichen
Verstand weit übersteigt, im christlichen Sinn Gott meint. Und diese göttliche Wirklichkeit
trägt Euch in den Stunden des Glückes und auch in den Stunden des
Schmerzes, denn das Leben ist trotz aller Reklamebehauptungen kein Wellness-
Dasein. Das hat hier jeder wohl schon erfahren und durchlitten. Gottes Wirklichkeit
aber bestimmt menschliches Glück und Leid.
Der Einbruch von Gottes Wirklichkeit in unser Dasein wird vielleicht am tiefsten in
dem Glück empfunden, gemeinsam eine Ehe einzugehen und gemeinsam den Lebensweg
zu gehen. Dabei gehen menschliche und göttliche Wirklichkeit Hand in
Hand. Für den Menschen gibt es ganz gewiss nicht die absolute göttliche Wirklichkeit
auf Erden, den Himmel auf Erden, aber den Halt in jeder Situation.
Dieser Tag wird Euch unvergesslich bleiben. Unvergesslich werden Euch andere
Erinnerungen bleiben. Etwas helfen mögen Euch ein paar Bilder aus den vergangenen
Jahren, Bilder von einem Ort der Zuflucht am Meer, Spiekeroog. Mögen sie
Erinnerungen wachrufen, als Aufbau, als Tragebalken, als Trost, als Leitfaden.
Verhör mit dem Überraschungsgast (frei nach „Die Fahrschulprüfung“ von Jürgen von Manger):
„Also, Herr Schrader. Sie wollen jetzt in den Heiligen Stand der Ehe eintreten. Sie wissen, dass vorher eine sog. Eheprüfung durchgeführt werden muss, bei deren Nichtbestehen die Versammlung sofort aufgehoben werden muss. So sind die Gesetze in einem Staat, in dem ja dem Vernehmen nach, schon das Lachen in einer Gruppe von mehr als drei Personen verboten ist. Es könnte ja ein hörgeschädigter darunter sein. Alles zum Besten seiner Bürger, die ja nicht in der Lage sind, Rücksicht auf andere zunehmen. Da könnte ja jeder kommen. Also. Was ist das wichtigste für eine Ehe?“
„Also, das wichtigste ist, ja, das ist ja gar nicht so einfach zu sagen …“
„Nun, sie hatten ja lange genug Zeit sich das zu überlegen.“
„Ja, also das wichtigste ist, jemanden kennen zu lernen.“
„Also das ist ja nun das selbstverständlichste, wie sollen denn zwei Menschen eine Ehe schließen, die sich nicht kennen?“
„Das sagen Sie. Aber kennen Sie sich denn überhaupt? Erleben Sie nicht täglich eine Überraschung mit sich? Und dann eine Ehefrau zu kennen. Da gehört mehr dazu, als Guten Tag zu sagen. Kennen wir uns schon?“
„Ja, nun gut. Was ist denn noch in einer Ehe wichtig?“
Ja, dass man immer wieder für den anderen da ist.
„Also das ist ja schon wieder so eine Selbstverständlichkeit. Für Ihren Wellensittich müssen Sie doch auch immer da sein.“
Was heißt hier Selbstverständlichkeit? Es geht ja nicht darum so wie man für einen Vogel da ist, ihm sein Futter gibt, ihm über den Kopf streicht oder ab zu mit ihm gurrt. Man muss immer an den anderen denken, ob er nun in Havelhöhe ist, oder in China oder in Cuba oder nur im Auto schläft.
„Also geht es nicht auch deutlicher. Das gilt ja auch für einen Vogel.“
Ja, also das Wichtigste ist, dass man da ist. Wo der andere ist, existentiell, geistig,
geistlich, auch wenn Entfernungen dazwischen liegen, weil sich da Himmel und Er
de berühren. Und dass ich nicht gerade im Himmel schwebe, wenn der andere auf
der Erde ist.
Das wichtigste ist, nicht dass man sich immer ansieht, sondern dass man in die
gleiche Richtung sieht, gleiche Ziele im Blick hat, dem anderen unterstellt,, dass er
auch das Beste für beide will, kurz gesagt ihn liebt.
„Ja, nun gut. Ich muss nun weiter. Sie haben die Prüfung bestanden und ich wünsche Ihnen und Ihrer Gattin alles Gute und Gottes Segen. Ach ja.“
(Dieter Schrader, 05.07.08)